Battlement

Battlement“ ist das einzige offizielle Studioalbum von Neuschwanstein in Originalbesetzung. Es gilt bis heute als eine der bemerkenswertesten deutschen Produktionen dieses Genres der späten 1970er-Jahre. Die Bedeutsamkeit des Albums für die Progressive Rock Szene erschließt sich auch aus der Tatsache, dass es weltweit hunderte von Artikeln, Reviews und Blogs zu „Battlement“ gibt, von Nord- und Südamerika, über ganz West- und Osteuropa bis hin zu Zentral- und Ostasien.

Neuschwansteins Manager Ulli Reichert erreichte aufgrund seiner Verbindungen, dass die Gruppe im Oktober 1978 die Chance erhielt, ihr neues Programm in den Dieter Dierks Studios in Köln-Stommelen aufzunehmen.

Neuschwanstein 1978

Ulli Reichert war mit Hermann Erbel, dem damaligen Schlagzeuger der Scorpions, befreundet (Erbel ist auch gebürtiger Saarländer und spielte unter seinem Künstlernamen Herman Rarebell), und da die Scorpions von Dieter Dierks produziert wurden, war der Weg in Dierks Studio nicht weit.

In nur 10 Tagen, vom 21. bis zum 31. Oktober, hatte die Gruppe mehrere ihrer Lieblingsstücke aufgenommen, von denen sechs letztendlich auf dem Album erschienen.

Die Band hatte im Laufe der Jahre bei Konzerten ihre Technik und Präsentation perfektioniert und passte sich problemlos dem Studio an. Sie behielten ihre Lieblingsnummern für die Aufnahmen bei, obwohl einige Stücke, darunter das von Joos komponierte und von Weiler getextete A Winter’s Tale, weggelassen werden mussten. Auch der recht kommerzielle Song Midsummer Day konnte für die endgültige Produktion nicht berücksichtigt werden. Der Titel sollte auf einer Promo-Single veröffentlicht werden, was aus finanziellen Gründen jedoch scheiterte.

Joos übernahm alle Gesangspartien, mit Ausnahme des Titelsongs Battlement, welcher von Rainer Zimmer getextet und gesungen wurde. Bei den Aufnahmen zum Opener Loafer Jack gab sich Herman Rarebell am Schlagzeug die Ehre. Die Scorpions hatten zur gleichen Zeit das Nachbarstudio gebucht und Manager Reichert engagierte Rarebell für diesen Track als Drummer, da er sich von dessen Bekanntheitsgrad einen größeren kommerziellen Erfolg versprach. Über diese Entscheidung war die Gruppe allerdings überhaupt nicht begeistert, zumal Hans Peter Schwarz bereits ein viel subtileres Rhythmuspattern zu diesem Titel aufgenommen hatte und Rarebell ein klassisches Rock-Schlagzeug einspielte.

Das Album wurde 1979 veröffentlicht und verkaufte sich 6000-mal, für eine Eigenproduktion einer Band ohne Plattenvertrag ein beachtlicher Erfolg. Vor allem, weil in dieser Zeit das Interesse am Progressive Rock stark nachließ, waren doch der New Wave und der Post-Punk auf dem Vormarsch. Trotz der beachtlichen Popularität von Neuschwanstein blieb der Erfolg des Albums aus; auch trotz eines guten Vertriebsdeals mit einem kleinen lokalen Label namens Racket Records (nicht zu verwechseln mit dem Marillion-eigenen Label gleichen Namens).

Wir lagen mit dem Timing exakt in der undankbaren Mitte: Vier Jahre früher (1974) oder vier Jahre später (1982) – und wir wären im Rennen gewesen! Ich war und bin heute noch davon fest überzeugt!

Roger Weiler, Dezember 2021

CD vs. LP

1992 kontaktierte Roger Weiler die Verantwortlichen von Musea Records und schlug vor, eine Neuauflage des Albums auf CD herauszubringen. Musea Records, mit Geschäftssitz in Metz (Frankreich), ist ein kleines Label, welches sich mit dem Vertrieb von Progressiv Rock Produktionen hervorgetan hat. Die Idee wurde zusammen mit dem ehemaligen Neuschwanstein Manager Ulli Reichert in die Tat umgesetzt und so haben Reichert und Weiler die Originalaufnahmen im März 1992 in den Sound Factory Studios in Saarbrücken neu abgemischt. Für Musea machte sich dieses Re-Release bezahlt, denn die CD erwies sich als absolutes Highlight und eine der erfolgreichsten Produktionen dieses Labels.

Die neue Abmischung gestaltete sich allerdings als äußerst kompliziert:

Wir haben damals beim Remix viel experimentiert, um es direkter und transparenter hinzubekommen – es hat nicht geklappt! Kaum hat man eine Melodie eines Instruments weggelassen, war es nicht mehr der Song – das zeigte eigentlich die ganze Tiefe der Musik, wie wir sie komponiert und arrangiert hatten. So ist letztendlich beim Remix nur die Reduktion des dominanten Bassspiels übrig geblieben.

Roger Weiler, Februar 2022

Dieser Remix stieß in der Progressive Rock Szene nicht immer auf ungeteilte Meinung. Vergleicht man die beiden Fassungen, fällt tatsächlich auf, dass der Bass nicht mehr so dominant auftritt und die Höhen angehoben wurden. Darüber hinaus hat das Klangbild an Stereobreite gewonnen und auf Keyboards, Querflöte und Gesang wurde mehr Hall gegeben.

Der auf dem LP-Album ausgelassene Titel Midsummer Day wurde auf die CD-Fassung mit aufgenommen.

Das Cover

Für die Fotos des LP Covers zeichnet Werner Richner verantwortlich, der, wie Neuschwanstein auch, aus Völklingen stammt. Bis Mitte der 1970er-Jahre war auch er als Rockmusiker aktiv. Er ist ein überregional bekannter und erfolgreicher Fotograf und Herausgeber von Bildbänden und hat u. a. zahlreiche Burgen für verschiedene Bildbände abgelichtet.

Für das Frontcover des Albums hat Werner Richner die Burg Haut-Barr (deutsch „Hohbarr“) bei Saverne im Elsass (Frankreich) fotografiert; das Foto für die Rückseite des LP-Albums entstand nach eigenen Aussagen in Griechenland. Die Idee zum Frontcover von „Battlement“ (englisch für „Mauerzinne“) beruht auf dem gleichnamigen Titelsong.

Teilansicht der Burgruine Haut-Barr im Elsaß (ähnlicher Blickwinkel wie auf dem Cover)

Wie schon zu Anfang erwähnt, gibt es inzwischen zahllose Rezensionen und Kritiken zu diesem Album. Hier eine kleine Auswahl:

Ein wahres Meisterwerk des progressiven Epic-Sympho-Rock der 1970er-Jahre. Eine deutsche Band mit dem Besten von Genesis, Camel und Eloy.

Ukrainischer Autor, März 2011, aus dem Russischen übersetzt

Diese Band hat nie eine internationale Anerkennung erfahren und ist immer noch ein verstecktes Juwel aus der Goldenen Ära des deutschen Prog.

Domenico D’Alessandro, November 2021, aus dem Italienischen übersetzt

Dieses Album ist ein absolutes Juwel. Die akustischen Klänge und die unheimliche Ähnlichkeit zwischen den Stimmen von Frédéric Joos und dem jungen Peter Gabriel lassen Battlement ein wenig wie die frühen Genesis klingen. Sie sind jedoch keineswegs ein direkter Abklatsch.

Alnilamski (USA), Juni 2005, aus dem Amerikanischen übersetzt

Die Veröffentlichung des einzigen Albums von Neuschwanstein war meiner Meinung nach eines der bemerkenswertesten Ereignisse, die im Rahmen des klassischen Art (Symphonic) Rock Ende der 1970er Jahre stattfanden. […] Das Album enthält sieben Titel, von denen fünf echte Perlen des klassischen Symphonic Progressive sind. Zusammen mit „Tales From the Lush Attic“ (IQ-1983) und „Somewhere But Yesterday“ (Xitizen Cain-1994) ist Neuschwansteins „Battlement“ eines der erfolgreichsten echten Klon-Alben, die in der Geschichte der Rockmusik je entstanden sind.

Usbekischer Autor, aus dem Englischen übersetzt

Neuschwanstein liegt irgendwo im oberen Mittelfeld. Die Band kann einige schöne melodische Passagen und Akkordprogressionen schreiben und sie mit der erforderlichen Technik und Dynamik spielen. Andererseits fügen sich die Lieder nicht immer zu einem natürlichen Ganzen zusammen. Und was die Texte von Gitarrist Roger Weiler angeht, so watet die Band in einem etwas wackeligen Englisch im Sumpf der mythischen Moralvorstellungen […]. Irgendwie schleicht sich immer eine gewisse Unbeholfenheit und Fremdartigkeit in das Endergebnis ein.

Kaikarmanheimo, Dezember 2012, aus dem Finnischen übersetzt

Neuschwanstein ist nicht nur ein faszinierendes Symbol edler Verrücktheit, das über der bayerischen Stadt Füssen thront, sondern auch eine Band, die eine der schönsten Art-Rock-Platten geschaffen hat, die ich kenne. Es ist auch eine Geschichte darüber, dass alles relativ ist, und wie wenig es bedeutet, der neue Prophet zu sein, wenn man nicht zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist… […]

Selbst die beste Musik in den besten Traditionen ist keine Garantie für Erfolg. Es ist ein trauriges Paradoxon, dass ein paar Jahre später Marillion mit der gleichen Formel das Genesis-Banner hochhielten und damit fast die Welt eroberten. Wenn man „Beyond The Bugle“ als erstes Neuschwanstein-Lied auflegt und nach der gurgelnden Ouvertüre die erste Strophe „Beyond the mountain, a wanderer spent the night…“ mit der tollen Stimme von Frederic Joos hört, glaubt man nicht, dass das jemand drei Jahre vor Fish gesungen haben könnte. Selbst die Musikwelt kann manchmal so verdammt unfair sein…

Jaromír Merhaut, September 2009, aus dem Tschechischen übersetzt

Durchschnittlicher deutscher Sympho, der irgendwie als der ultimative Genesis-Klon gehypt wird. Ist es aber nicht, es ist eher typischer deutscher Prog mit dünnen Tasten, die auf Streichersynthies und Fender Rhodes basieren, und hypnotischen Songstrukturen, die gelegentlich etwas Komplexeres andeuten. […] Einem Freund zufolge, der die Original-Vinyl des Racket-Labels besitzt, wurde die Musea-Ausgabe stark remixt, um sie „symphonischer“ klingen zu lassen. Angeblich klingt die Originalmischung mehr nach Eloy und weniger nach einem weniger guten Novalis-Album mit englischen Texten und einem anderen Sänger.

Progbear (USA), November 2007, aus dem Amerikanischen übersetzt

In der Blütezeit des Progressive Rock erlangten englische, italienische und sogar amerikanische Gruppen internationale Aufmerksamkeit für ihre Beiträge zu diesem Genre. Währenddessen gab es in Kontinentaleuropa eine Reihe guter Bands, von denen nur wenige bekannt waren, viele arbeiteten im Verborgenen, und einige machten sich erst in den späten 70er und frühen 80er Jahren einen Namen in der Szene. […] Neuschwanstein war eine solche Band. […] Das 1992 auf Musea wiederveröffentlichte Battlement ist ein wunderschönes, üppiges Werk und eine der am besten produzierten und klingenden unabhängig aufgenommenen Veröffentlichungen. […] Das musikalische Können auf Battlement ist absolut erstklassig, und der Sänger/Akustikgitarrist Frederic Joos wird viele Hörer schwören lassen, dass Peter Gabriel selbst den Leadgesang für Neuschwanstein beisteuerte. […] Jeder Track auf dieser Wiederveröffentlichung ist von guter Qualität und ein paar sind fast gut genug, um sich als das zu qualifizieren, was ich als „Meisterwerke“ bezeichnen würde. […] Dies ist ein echter Klassiker des kontinentalen Progressive Rocks und verdient diesen Titel zu Recht.

Tom Karr (USA), März 2005, aus dem Amerikanischen übersetzt

Auch wenn es nach Genesis klingt, kann man sagen, dass es, wenn es von ihnen aufgenommen worden wäre, zu ihren besten Alben gehören würde. […] Abschließend frage ich mich auch, wo Genesis hingekommen wären, wenn sie es geschafft hätten, den Durchschnitt ihrer ersten Alben zu halten und Alben wie dieses Battlement veröffentlicht hätten. Vielleicht ist dies ein Fall, in dem der Schüler den Meister übertrifft (wenn wir die frühen Tage von Genesis betrachten, offensichtlich nicht; aber wenn wir über ihre letzten Alben sprechen, zweifellos). […] Wer es nicht kennt, kann es glauben: Battlement ist einer der größten Momente des Progressive Rock aller Zeiten. Schade, dass es am falschen Ort und zur falschen Zeit veröffentlicht wurde, schließlich war 1979 keine Sternstunde für diesen Stil.

Xavier Wagner (Brasilien), Juli 2010, aus dem Portugiesischen übersetzt