Alice in Wonderland

1975 gab es einen weiteren Wechsel in der Gruppe: Neuschwansteins bisheriger Bassist Uli Limpert verließ die Band und Rainer Zimmer wurde als Nachfolger verpflichtet. Zimmer übernahm auch die bisher von Limpert vorgetragenen Textpassagen aus „Alice im Wunderland“.

Nach dem Gewinn des Bandwettbewerbs im Saarländischen Staatstheater mit der musikalischen Adaption vonAlice im Wunderland“, buchte Neuschwanstein im April 1976 ein kleines Tonstudio in der Nähe von Saarbrücken, um ihr „Alice in Wonderland“ auf Band aufzunehmen. Diese Aufnahme war als Demoband für potentielle Veranstalter gedacht.

Dieses Band lag in Form einer Musikkassette lange Zeit im Schrank des Gitarristen, Roger Weiler. Anfang der 2000er Jahre erzählte Weiler den Verantwortlichen des französischen Labels Musea von dieser Kassette und man war sofort daran interessiert. Die Tonqualität war zwar mehr als bescheiden, aber Musea war zuversichtlich, das Band auf einen akzeptablen technischen Stand bringen zu können. Das große Interesse von Musea beruhte auch auf der Tatsache, dass Neuschwansteins „offizielles“ Album „Battlement“, welches bereits zuvor 1979 erschienen war, das meistverkaufte Album im Musea-Katalog war.

So erschien, 32 Jahre nach der Aufnahme des Demos, im Jahr 2008 diese erstmals auf CD. Thomas Neuroth meinte 2022 trotz der überwiegend positiven Kritiken dazu:

“Alice in Wonderland“ ist Herzblut und Begeisterung, Charme und Ambition. Ein Erstling, unfertig und fehlerhaft. “Alice in Wonderland“ war für den Augenblick und für die Vergänglichkeit gedacht. Ich hätte nie daran gedacht, dass es jemals veröffentlicht werden würde.

Original Cover von 2008

Aus heutiger Sicht hat Neuschwanstein mit diesem Album den Weg für viele andere deutsche Progressive-Rock-Bands geebnet.

Es ist fast ein Vorbild für die Idee eines solchen Albums, typisch für die deutsche Seele der Dichter/Denker der 70er Jahre.

Henning Mangold auf den „Babyblauen Seiten“, www.babyblaue-seiten.de

Am 18. November 2022 ist nach 46 Jahren eine Wiederveröffentlichung beim Label Explore Rights Management (einem Unterlabel von Cherry Red Records) erschienen. Da das der CD-Version von Musea von 2008 zugrunde gelegte Band eine Kassettenkopie war, versuchte man das originale Masterband wieder zu finden. Tatsächlich wurden diverse Tonbandspulen beim Gitarristen Roger Weiler wieder entdeckt, die sich jedoch allesamt als leer erwiesen.

Die alten Aufnahmen wurden aufwändig restauriert, wobei dem Produktionsteam eine neue Software zu Gute kam, ohne diese das Projekt von vorne herein zum Scheitern verurteilt gewesen wäre. Da Erzählerstimme und Musik vermischt waren, musste erst die Stimme aus der Musik herausgefiltert werden. Die ersten Versuche waren nicht zufriedenstellend, doch dann gelang es mit einer neuen KI-gesteuerten Software, AudioShake, die Erzählung vollständig zu entfernen, ohne die Hintergrundspuren zu beschädigen.

Neues Cover von 2022

Die Erzählung wurde direkt aus dem Originalbuch übernommen, wobei die Anpassung auf ein Minimum beschränkt wurde. Einige der Ausbrüche des verrückten Hutmachers wurden jedoch aus anderen Kapiteln entlehnt, um die Anzahl der theatralisch gesungenen Passagen an die Musik anzupassen. Gesprochen wurden die neuen Texte von Sonja Kristina, Sängerin bei Curved Air. Das Cover wurde leicht verändert und das Booklet überarbeitet.

Zahlreiche Rezensenten haben sich mit dem Album beschäftigt. Hier eine kleine Auswahl:

Der Band gelang es von Anfang an, eine flüssige und raffinierte Musik zu schaffen, intensiv und suggestiv, typisch für den kreativen Enthusiasmus der frühen siebziger Jahre. In der Regel um die Keyboards herum strukturiert, unterstreicht die Musik oft lebhafte und sehr raffinierte Klavierstücke. Mit seinen starken Melodien, seinen luftigen und dynamischen Flötensoli, seinen träumerischen Atmosphären und der Subtilität der Gitarreneffekte, die vom Stil Steve Hacketts beeinflusst sind, nimmt „Alice In Wonderland“ leicht seinen Platz unter den besten zeitgenössischen Werken von Camel oder Focus ein.

Autor: Gribovar, September 2010, aus dem Englischen übersetzt

„Alice in Wonderland“ ist vierzig Minuten interessante Musik, ein wenig angelehnt an „Supper’s Ready“, ein wenig an „The Six Wives of Henry VIII“, aber deutlich zeigend, wie wichtig die Band Neuschwanstein für den deutschen Progressive Rock der 1970er Jahre war. Sie spielten Musik mit starken melodischen Linien, basierend auf einer lebendigen, fröhlichen Interpretation mit zarten Gitarrenparts, großen Verwerfungen durch Synthesizerklänge, mit zahlreichen dynamischen Soloflötenparts. Neuschwansteins Musik ist durchdrungen von einer lebendigen Spielfreude, einer flüchtigen Atmosphäre der Ätherik und einer außergewöhnlichen Fluidität des Klangs im Geiste von Genesis, Steve Hackett, Focus oder Camel. Vierzig Minuten Musik, die dieses Album füllen, vergehen wie im Flug, ohne dass man es merkt.

Autor: Artur Chachlowski, Februar 2010, aus dem Tschechischen übersetzt

Wenn ich mir Alice in Wonderland anhöre […] fällt mir auf, dass Neuschwanstein in manchen Momenten wie ‚eine embryonale Version von Battlment‘ klingen, aber im Großen und Ganzen ist es mehr im Sinne von Camel und Focus aus den Siebzigern und weniger offensichtlich von Mid-Genesis inspiriert. Und die Musik ist auch weniger ausgefeilt, entspannter und bemerkenswert ist das allgegenwärtige Flötenspiel (das mich an Camel, Jethro Tull und Solaris erinnert), oft begleitet von funkelnder Grand-Piano-Arbeit und gefärbt mit sehr geschmackvollen Vintage-Keyboards (von warmem Streicher-Ensemble und kraftvoller Hammond-Orgel bis hin zu fetten Synthesizer-Flügen und swingendem Fender Rhodes E-Piano) zusammen mit einigen gefühlvollen E-Gitarren im Stil von Steve Hackett. […]

Wenn ich dieses Album nach seinen eigenen Verdiensten beurteile (also keine Vergleiche mit Battlement), komme ich zu dem Schluss, dass Neuschwanstein ein schönes, sehr warm klingendes Album in der echten Symphonic-Rock-Tradition mit einem klassischen Unterton (Flöte und Grand Piano) und sehr angenehmen Vintage-Keyboards gemacht hat, das die Fans von Seventies Camel, Focus und Genesis erfreuen wird.

Autor: Erik Neuteboom, September 2010, aus dem Englischen übersetzt